Künstlerische Freiheit - Paragraph 5
Liebe Community,
es wird mal wieder Zeit etwas juristisches zu thematisieren und zwar folgenden Text, welcher derzeit immer wieder mal gedankenlos per Copy und Paste, in diversen Profilen, in verschiedenen Versionen auftaucht:
"Ich berufe mich bezüglich meiner Uploads und jegliche Art der Kommunikation auf Paragraph 5 der künstlerischen Freiheit. Meine Uploads und Kommunikation müssen nicht zwangsläufig meine Interessen wiederspiegeln und / oder mit diesen übereinstimmen."
Dieser sogenannte Disclaimer (juristisch: "Haftungsfreizeichnungsklausel") ist wie so ziemlich jeder andere Disclaimer auch, rechtlich völlig wirkungslos. Es beginnt schon damit, dass keine Rechtsquelle angegeben ist und in der Rechtsquelle welche vermutlich gemeint ist, es gar keinen "Paragraph 5" gibt, welcher die "künstlerische Freiheit" behandelt, sondern es gibt nur einen Artikel 5 im Grundgesetz. Dieser Art. 5 GG lautet:
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Allein schon beim Lesen der ersten beiden Abschnitte müsste jedem klar sein, dass man sehr wohl für das verantwortlich ist was man hier veröffentlicht. Eine Berufung allein auf den Abschnitt 3 entbehrt jeder Grundlage, denn es ist völlig klar, dass man hier nicht strafrechtlich relevante Tatbestände begehen und sich dann hinter dem Art. 5 Abs. 3 GG verstecken kann in dem man jeden Upload und jede Form der Kommunikation als "Kunst" deklariert. Eine solche Rechtsauffassung würde zwangsläufig dazu führen, dass man den Abs. 1 und 2 des Art. 5 GG aushebelt und einfach alles unter dem Deckmantel des Art. 5 Abs. 3 GG machen könnte ohne dafür belangt zu werden.
Allein die Vorstellung, dass z.B. ein normaler Chatverlauf, Kommentare unter den Uploads, oder gar zusammengestellte (im Zweifelsfall auch noch urheberrechtsverletzende) Galerien auf der Pornoplattform xHamster Kunst sein sollen ist absurd. Gerade im Bereich der Pornografie ist es häufig nicht leicht sich auf die künstlerische Freiheit zu berufen, weswegen diese auch nur mit gesetzlichen Altersbeschränkungen verbreitet werden darf. Denn würde Pornografie unter den Kunstbegriff fallen, müsste diese uneingeschränkt allen Altersgruppen zugänglich sein. Auch wenn sowohl der Gesetzgeber, als auch das Bundesverfassungsgericht keine Definition vorgegeben haben was eigentlich unter Kunst zu verstehen ist, gibt es durchaus Begriffe wie den der "unfriedlichen Kunst" (Kunst, die bewusst Rechte Dritter verletzt oder Straftatbestände erfüllt), die in Gerichtsprozessen Anwendung finden. Auch das Kriterium der mannigfaltigen Interpretationsmöglichkeit eines künstlerischen Werkes wird von Gerichten anhand von Gutachtern häufig betrachtet und dies ist bei Pornografie bzw. bei Inhalten welche mit dieser eng verbunden sind, naturgemäß häufig sehr stark eingeschränkt, weswegen man Pornos den proklamieten Status eines Kunswerkes häufig juristisch nicht zuerkennt.
Hinzu kommt noch die Frage, welcher Gedankengang überhaupt dazu führt einen solchen Disclaimer auf seine Hauptprofilseite einzustellen. Wir sind hier auf einer Pornoplattform und man kann/muss aufgrund der gesetzlich vorgeschriebenen Altersüberüberprüfung, welche bei jedem Betreten der Seite erfolgt, davon ausgehen, dass die Seiteninhalte nicht von Personen die jünger als 18 Jahre sind in Augenschein genommen werden. Aus diesem Grund kann dieser Disclaimer schon mal nicht dazu dienen sich davor schützen zu wollen, dass man eventuell in dieser Richtung belangt wird. Das der Ausdruck bloßer Sex-Fantasien zu einem Problem werden könnte kann ebenfalls ausgeschlossen werden, da hierfür jede Grundlage fehlt und dies durch den Art. 2 Abs. 1 GG ("Recht auf freie Entfaltung") gedeckt ist. Doch vor was will man sich sonst mit diesem Text schützen? Dieser Text ergibt meiner Auffassung nach nur dann Sinn, wenn man sich dadurch erhofft Inhalte verbreiten zu können welche ggf. strafrechtlich relevant sein könnten (z.B. Beleidigung, Üble Nachrede, Verleumdung § 185 bis 187 StGB, oder gar Inhalte anderen Kategorie wie § 173 StGB, oder §184b StGB, oder §3 Abs. 13 TierSchG) und da sollte sich jeder mit einem solchen Text im Profil einmal ernsthafte Gedanken über sich selbst machen.
Lange Rede kurzer Sinn:
Hört auf irgendwelche sinnfreien Texte in euer Profil zu packen. Sowas wirkt (freundlich formuliert) weder besonders weitsichtig, noch selbstsicher. Bevor ihr etwas schreibt/hochlädt, schaltet euer Gehirn ein und wenn ihr das nicht könnt lebt mit den Konsequenzen. Mal abgesehen davon, selbst wenn ihr keinen Disclaimer auf der Profilseite habt gilt trotzdem das deutsche Recht für euch und sollte man versuchen euch für etwas verantwortlich zu machen das ihr nicht zu verantworten habt, wird euer Anwalt schon wissen was zu tun ist. Mit solchen Disclaimern erweckt ihr eher den Eindruck, als wüsstet ihr, dass ihr etwas falsch macht und das kann im Ernstfall sogar zu euren Ungunsten ausgelegt werden.
Liebe Grüße
und noch viel Spaß hier
Euer Timo
-------
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https://deu.xhamster.com/posts/787099
Urheberrecht - Klageandrohung vor Landesgericht
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User-Copyright und XHamster AGB
https://xhamster.com/posts/897339
Veröffentlichung von privaten Nachrichten
https://xhamster.com/posts/895506
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"Ich berufe mich bezüglich meiner Uploads und jegliche Art der Kommunikation auf Paragraph 5 der künstlerischen Freiheit. Meine Uploads und Kommunikation müssen nicht zwangsläufig meine Interessen wiederspiegeln und / oder mit diesen übereinstimmen."
Dieser sogenannte Disclaimer (juristisch: "Haftungsfreizeichnungsklausel") ist wie so ziemlich jeder andere Disclaimer auch, rechtlich völlig wirkungslos. Es beginnt schon damit, dass keine Rechtsquelle angegeben ist und in der Rechtsquelle welche vermutlich gemeint ist, es gar keinen "Paragraph 5" gibt, welcher die "künstlerische Freiheit" behandelt, sondern es gibt nur einen Artikel 5 im Grundgesetz. Dieser Art. 5 GG lautet:
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Allein schon beim Lesen der ersten beiden Abschnitte müsste jedem klar sein, dass man sehr wohl für das verantwortlich ist was man hier veröffentlicht. Eine Berufung allein auf den Abschnitt 3 entbehrt jeder Grundlage, denn es ist völlig klar, dass man hier nicht strafrechtlich relevante Tatbestände begehen und sich dann hinter dem Art. 5 Abs. 3 GG verstecken kann in dem man jeden Upload und jede Form der Kommunikation als "Kunst" deklariert. Eine solche Rechtsauffassung würde zwangsläufig dazu führen, dass man den Abs. 1 und 2 des Art. 5 GG aushebelt und einfach alles unter dem Deckmantel des Art. 5 Abs. 3 GG machen könnte ohne dafür belangt zu werden.
Allein die Vorstellung, dass z.B. ein normaler Chatverlauf, Kommentare unter den Uploads, oder gar zusammengestellte (im Zweifelsfall auch noch urheberrechtsverletzende) Galerien auf der Pornoplattform xHamster Kunst sein sollen ist absurd. Gerade im Bereich der Pornografie ist es häufig nicht leicht sich auf die künstlerische Freiheit zu berufen, weswegen diese auch nur mit gesetzlichen Altersbeschränkungen verbreitet werden darf. Denn würde Pornografie unter den Kunstbegriff fallen, müsste diese uneingeschränkt allen Altersgruppen zugänglich sein. Auch wenn sowohl der Gesetzgeber, als auch das Bundesverfassungsgericht keine Definition vorgegeben haben was eigentlich unter Kunst zu verstehen ist, gibt es durchaus Begriffe wie den der "unfriedlichen Kunst" (Kunst, die bewusst Rechte Dritter verletzt oder Straftatbestände erfüllt), die in Gerichtsprozessen Anwendung finden. Auch das Kriterium der mannigfaltigen Interpretationsmöglichkeit eines künstlerischen Werkes wird von Gerichten anhand von Gutachtern häufig betrachtet und dies ist bei Pornografie bzw. bei Inhalten welche mit dieser eng verbunden sind, naturgemäß häufig sehr stark eingeschränkt, weswegen man Pornos den proklamieten Status eines Kunswerkes häufig juristisch nicht zuerkennt.
Hinzu kommt noch die Frage, welcher Gedankengang überhaupt dazu führt einen solchen Disclaimer auf seine Hauptprofilseite einzustellen. Wir sind hier auf einer Pornoplattform und man kann/muss aufgrund der gesetzlich vorgeschriebenen Altersüberüberprüfung, welche bei jedem Betreten der Seite erfolgt, davon ausgehen, dass die Seiteninhalte nicht von Personen die jünger als 18 Jahre sind in Augenschein genommen werden. Aus diesem Grund kann dieser Disclaimer schon mal nicht dazu dienen sich davor schützen zu wollen, dass man eventuell in dieser Richtung belangt wird. Das der Ausdruck bloßer Sex-Fantasien zu einem Problem werden könnte kann ebenfalls ausgeschlossen werden, da hierfür jede Grundlage fehlt und dies durch den Art. 2 Abs. 1 GG ("Recht auf freie Entfaltung") gedeckt ist. Doch vor was will man sich sonst mit diesem Text schützen? Dieser Text ergibt meiner Auffassung nach nur dann Sinn, wenn man sich dadurch erhofft Inhalte verbreiten zu können welche ggf. strafrechtlich relevant sein könnten (z.B. Beleidigung, Üble Nachrede, Verleumdung § 185 bis 187 StGB, oder gar Inhalte anderen Kategorie wie § 173 StGB, oder §184b StGB, oder §3 Abs. 13 TierSchG) und da sollte sich jeder mit einem solchen Text im Profil einmal ernsthafte Gedanken über sich selbst machen.
Lange Rede kurzer Sinn:
Hört auf irgendwelche sinnfreien Texte in euer Profil zu packen. Sowas wirkt (freundlich formuliert) weder besonders weitsichtig, noch selbstsicher. Bevor ihr etwas schreibt/hochlädt, schaltet euer Gehirn ein und wenn ihr das nicht könnt lebt mit den Konsequenzen. Mal abgesehen davon, selbst wenn ihr keinen Disclaimer auf der Profilseite habt gilt trotzdem das deutsche Recht für euch und sollte man versuchen euch für etwas verantwortlich zu machen das ihr nicht zu verantworten habt, wird euer Anwalt schon wissen was zu tun ist. Mit solchen Disclaimern erweckt ihr eher den Eindruck, als wüsstet ihr, dass ihr etwas falsch macht und das kann im Ernstfall sogar zu euren Ungunsten ausgelegt werden.
Liebe Grüße
und noch viel Spaß hier
Euer Timo
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3 years ago